Kunst und Kirchen - Der Kreuzweg in St. Josef

„Vor zweitausend Jahren schleppte sich ein Mensch durch die Strassen einer Stadt mit einem Kreuz, zum Tode verurteilt, verhöhnt und geschlagen. Und doch brachte er es fertig zu allen Zeiten und auch heute Menschen zur Besinnung zu bringen zum Nachdenken über den tiefsten Sinn ihres Daseins“.

Mit diesen Gedanken von Phil Bosmans möchte ich Sie einstimmen auf den Kreuzweg von Schwester Primosa, (1913-2002), Vinzentinerin.

Der Kreuzweg, in farbiger Holzschnitttechnik gefertigt, seit 1953 in der St. Josefskirche beheimatet, war ein Geschenk des damaligen Weihbischofs von Rottenburg, Wilhelm Sedlmeier (1898-1987), an Pfarrer Zettier und an die Gemeinde. Schwester Primosa, 1913 in Frankfurt am Main geboren, wurde 1942 in die Gemeinschaft der Barmherzigen Schwestern in Untermarchtal aufgenommen. Nach ihrer Ausbildung zur Krankenschwester absolvierte sie ein Studium der Kunsterziehung an der Akademie der Bildenden Künste in Stuttgart und war bis 1972 Lehrerin für Bildende Künste im Töchterinstitut St. Loreto in Schwäbisch Gmünd.

 

Die allermeisten Kreuzwege haben 14 Stationen. Die Zahl Vierzehn wird zum Teil der Heiligen Schrift, zum Teil alten Traditionen entnommen. Fünf Stationen haben sich aus früheren Legenden um das Sterben Jesu entwickelt. Der Kreuzweg in St. Josef hat bereits eine 15. Station, die Station der Auferstehung. So steht am Ende nicht der Sieg des Todes und der Trostlosigkeit, sondern das Leben, die Hoffnung eines jeden Christen.

Der Kreuzweg der Schwester Primosa enthält im Gegensatz zu manch anderen Kreuzwegdarstellungen Elemente, die über den Leidensweg und Sterbeweg Jesu in besonderer und eindrucksvoller Symbolsprache Aufschluss geben. Sie hat in ihrem Farbholzschnitt mit vier Farben gearbeitet und zwar mit schwarz, rot, gelb und weiß. Rot ist die Farbe des Königs, gelb die der Erdhaftigkeit, der Sünde. So ist bisweilen die Dornenkrone gelb, aber auch Maria trägt ein gelbes Kopftuch um bei der Kreuzabnahme plötzlich ein rotes Gewand zu tragen. Dies ist vielleicht ein Hinweis dafür, das Jesus seinen Auftrag an die Gemeinde weitergibt. Eine andere Symbolik steckt in dem Kreuz, dass in allen Stationen über die Ränder der Station herausreichen. Es ist immer größer als das was man sieht. Jesus trägt mehr als man wahrnehmen kann. Auch unser eigenes Kreuz wird von anderen Menschen nie ganz erfasst.

Der Kreuzweg ist Gedächtnis an das Leiden Jesu und über dieses auch Gedächtnis an das Leiden der Menschen und der Welt. Es ist gute christliche Tradition, das Leiden Jesu zu betrachten d. h. sich in die überlieferten vierzehn Stationen seines Weges von der Verurteilung vor Pilatus bis zur Grablegung hineinzustellen, um sich mit der eigenen wie der fremden Not einzulassen. Kreuzweg beten, das meint nicht: Jesu Leben, Jesu letzte Wegstrecke aus der Distanz anzuschauen. Kreuzweg beten, das meint: einsteigen, Nähe wagen, sich in das Geschehen hineinziehen lassen, es aushalten und mitgehen. Jesus Weg kreuzt in seinen Stationen unsere eigenen Wege und die Wege der Welt. Wir dürfen glauben, dass er das, was uns geschieht, mitnimmt auf seinem Weg und es in die Fülle des Lebens führt.

Der Kreuzweg von Schwester Primosa lädt uns ein, eine Botschaft zu entdecken, ihn als geistlichen Pilgerweg anzunehmen und dadurch einen neuen Zugang für eigenes Leid zu finden.

Führungen zum Kreuzweg in St. Josef können im Pfarrbüro angemeldet werden.

Horst F. Sehorsch, Mittwoch, 9. November 2011