„50 Jahre Landkreis Böblingen - mein Erlebnis“
34. Schreibwettbewerb des Kreisseniorenrates Böblingen 2023
Horst F. Sehorsch gewinnt mit folgender Geschichte einen Preis beim Schreibwettbewerb des Kreisseniorenrates.
Unser Landkreis ist reich an Sehenswürdigkeiten, reich an Geschichte, reich an Denkmälern. Dies wurde mir wieder bewusst, als ich 1977 mit meiner Familie nach Herrenberg, ins Gäu, umzog und begann, die neue Umgebung zu erforschen und kennen zu lernen. Ich war neugierig auf die Geschichte, auf die Sehenswürdigkeiten in Herrenberg, im Landkreis aber auch über unseren Landkreis hinaus. Sprach mit Zeitzeugen. Vielen war die Bedeutung der Sehenswürdigkeiten und Denkmäler nicht mehr geläufig. Da wurde ich hellhörig, forschte und erfuhr Geschichten, die in keinem der bestehenden Bücher niedergeschrieben waren.
Nach meinem Vorruhestand Ende 1996, war der Kontakt zu meinen ehemaligen Kollegen nie abgebrochen. Eines Tages lud ich sie zu einer Führung nach Reusten und den Kirchberg ein. Bei der Landschaftsführung stellte ich fest, dass die Kollegen viele Gegenden im Ausland kannten, aber die nähere Umgebung ihnen völlig fremd war. Dies war mein Erlebnis, das in Folge alle die weiteren Aktivitäten auslösen sollte und ich Stadt-, Kirchen- und Landschaftsführer in Herrenberg und für den Landkreis Böblingen wurde. Am Beginn die Idee, Führungen in der näheren Umgebung anzubieten, um den Menschen die Sehenswürdigkeiten und die damit verbundenen Geschichten zu vermitteln. Ich nahm Kontakt mit dem Verantwortlichen der VHS in Herrenberg auf und bot Führungen an unter dem Motto, „Kleinode vor der Haustüre“, und hier zwischen Herrenberg und Tübingen. Mit großem Erfolg, wie es sich herausstellte. Viele kannten die Sehenswürdigkeit vom Hören sagen, wussten aber nicht mehr die Orte und auch nicht die damit verbundenen Geschichten.
Die ersten Sehenswürdigkeiten, um nur einige aus der näheren Umgebung zu nennen, waren die Quelle der Ammer in Herrenberg, das Ammertal mit seinen Mühlen, Reusten und der Kochartgraben, der Weinbau in Unterjesingen, die Wurmlingen Kapelle, die Wallfahrtskirche und das Weggental in Rottenburg. Die Teilnehmer sahen die Sehenswürdigkeiten zum ersten Mal, und hörten die damit verbundenen Geschichten. Die Erlebnistouren kamen sogar im SWR Aktuell Studio Tübingen zur Sprache und wurden so über die Medien verbreitet. Auch der Gäubote in Herrenberg sowie die regionalen Zeitungen berichteten regelmäßig über die Führungen. Nach diesen ersten Erfahrungen begann ich mich speziell um die Sehenswürdigkeiten in der direkten Umgebung von Herrenberg und im Landkreis zu kümmern. Stadtführungen betreffen meistens die in der Stadt ausgewiesenen Sehenswürdigkeiten. Zu kurz kommen die Sehenswürdigkeiten in der näheren Umgebung. Das hier ein Vakuum herrschte, wurde mir bei meiner ersten Führung rund um Herrenberg bewusst. An einem sonnigen und kalten Wintertag, ich weiß noch das genaue Datum, es war der 14. Januar 2006, sollte es losgehen. Die Route vom Marktplatz in Herrenberg über den Schlossberg und dann zurück über das Königsbrünnele im Schönbuch, zum Ausgangspunkt. Ich traute meinen Augen nicht, denn pünktlich um 14.00 Uhr hatten sich über 140 Personen am Marktplatz versammelt und wollten die angekündigten Sehenswürdigkeiten sehen.
Die Künstler und ihre Kunst im Landkreis der Bevölkerung nahe zu bringen, war ein neuer Gedanke. Kunstführungen sind heute selbstverständlich, waren aber dies noch nicht vor 20 Jahren. Eine der ersten Kunstführung, war der Skulpturengarte von Lutz Ackermann in Nebringen mit Prof. Dr. Bathelt, dem ehemaligen Leiter der VHS Herrenberg. Für alle Beteiligten ein Erlebnis von besonderer Art, um hautnah den Künstler und seine Werke im Atelier und in der Landschaft zu begegnen. Weitere Begegnungen sollten folgen.
Neben den Kunstführungen und Erlebnistouren, wollte ich Kunstwerke im Landkreis der Bevölkerung nahebringen. Das Glasfenster in der St. Josefskirche in Herrenberg, mit seiner 80 m² großen Glasfläche, galt es zu vermitteln. Das größte Glasfenster in Südwestdeutschland mit seinen elf bunten Glasfenstern in der Apsis der Kirche, hatte 1933 richtungsgebende Bedeutung in der Kunstszene. Vom Künstler Professor Albert Birkle, aus Salzburg, gefertigt. Meine Recherchen ergaben, das Kunstwerk war in Herrenberg selbst und im Landkreis fast nicht bekannt. Auch nicht seine beindruckende Größe. Bei meinen Forschungen kam so viel Interessantes und Unbekanntes zu Tage, dass ich diese neuen Erkenntnisse in einem ersten Kirchenführer im Jahr 2003, zum 70.-jährigem Jubiläum der Kirche, veröffentlichen konnte. Weitere Kirchenführer, mit neuen Erkenntnissen, folgten.
Bei den Führungen zum Glasfenster in der St. Josefskirche stellte sich heraus, dass für viele Besucher dieses Kunstwerk, diese elf bunten Glasfenster in der Apsis, im Sonnenlicht betrachtet und durchscheinend, zu einem persönlichen Erlebnis, ja zu einem Ereignis, wurden. Beeindruckend die theologische Tiefe, aber auch die Herstellung dieses imposanten Kunstwerkes, sensationell. 2015 stellte sich heraus, dass Birkle eine Botschaft auf beiden Seiten im Glasfenster hinterlassen hatte, und zwar versteckt die evangelische Stiftskirche zusammen mit der katholischen St. Josefskirche. Die im Glasfenster dargestellten Heiligen u. a. Maria und Josef, sollten zusätzlich einen Bezug zur evangelischen Stiftskirche darstellen. Im Diözesanarchiv in Rottenburg konnte ich dies lückenlos nachweisen und im Jahr der Reformationsfeierlichkeiten 2017, in meinem ökumenischen Kirchenführer mit dem Titel: „Die Kirche St. Josef und ihr Bezug zur Stiftskirche Herrenberg – die ökumenisch bedeutende Botschaft im Farbglasfenster von Professor Albert Birkle“ veröffentlichen. Die enge Verbindung der evangelischen Gemeinde mit der katholischen Gemeinde bereits im Jahr 1933, eine kleine Sensation wie dies Dekan Eberhard Feucht von der evangelischen Kirchengemeinde in seinem Vorwort im Kirchenführer festgehalten hat. Hätte Birkle diese versteckte Botschaft im Glasfenster nicht hinterlassen, wären diese bedeutenden Hinweise nie an die Öffentlichkeit gelangt und so für die Nachwelt verloren gewesen.
Ebenfalls im Reformationsjahr 2017 ein Ereignis der besonderen Art. „Die Martinseiche am Roten Meer auf dem Schlossberg in Herrenberg.“ Ein Projekt der Evangelischen, Katholischen und Evangelisch-methodistischen Kirchengemeinden in Herrenberg in Kooperation mit der Stadt Herrenberg. Mit der Pflanzung einer Martinseiche und Aufstellung einer Hinweistafel, wurde auf ein vergessenes Projekt aus dem Jahr 1817 verwiesen. Ich hörte in einem Vortrag im Stadtarchiv davon und begann zu recherchieren. Damals wurde eine Luthereiche gepflanzt, die aber nicht mehr aufzufinden war. Die historischen Zusammenhänge und die Verbundenheit von Martin Luther mit Martin von Tours waren so bedeutend, um bei den Feierlichkeiten im Reformationsjahr 2017 darauf hinzuweisen und als verbindendes Element, für den ökumenischen Gedanken, eine Eiche, eine Martinseiche, zu pflanzen. Der gefundene Ort auf dem Martinusweg, einem vom Europarat geförderten Kultur- und Pilgerweg, der u.a. von Herrenberg über den Schlossberg nach Böblingen führt, wurde auch deshalb gewählt, da die jetzige, über 350 Jahre alte Eiche, am „Roten Meer“, in die Jahre gekommen war und die neue Eiche einen Ersatz für eine spätere Zeit darstellen soll. Da die Martinseiche ein Novum auf dem gesamten europäischen Pilgerweg darstellt, ist sie auch eine Bereicherung für den Landkreis Böblingen und über den Landkreis hinaus.
„Alles Leben ist Begegnung“, ein Satz von Martin Buber, wurde mir immer wieder bei meinen Führungen auf angenehmste Weise bestätigt. Durch meine Führungen in all den Jahren und das Forschen in der Geschichte, das Ausfinden und Aufschreiben von Begebenheiten, haben sich gelohnt. Denn wie auf einer Perlenkette, als hätte es so sein müssen, haben sich die aufgezählten Ereignisse, vom Beginn an lückenlos aneinandergereiht und dafür gesorgt, dass das schon fast verlorene Wissen von einen Teil der Sehenswürdigkeiten und Denkmäler in Landkreis Böblingen und ihre damit verbundenen Geschichten, nicht dem Vergessen anheim wurden, - mein Erlebnis!
Horst F. Sehorsch, 81. Jahre, Herrenberg, 24. Dezember 2022
Ökumenisches Taizégebet in der Spitalkirche
Angelehnt an die Tagesgebete der ökumenischen Communitat von Taizé findet in der Sptalkirche Herrenberg wöchentlich ein Abendgebet statt:
Jeden Mittwoch (außer in den Ferien) um 18 Uhr.
Herzliche Einladung zum Innehalten in der Mitte der Woche.